Foto von Foot Bowl / Hendrik Müller
Ein Dilemma ist per Definition eine Zwangslage oder eine Situation in der man zwischen zwei gleichermaßen schwierigen/unangenehmen Dingen wählen muss. Und in einer Zwangslage befinden sich die Centurions gewiss. Ich möchte vorwegschicken, dass ich ein großer Sympathisant der Franchise bin und mir wünschen würde, ich könnte hier positiveres über die Centurions und ihre Situation schreiben. Ich durfte den ein oder anderen aus dem Franchise etwas kennenlernen und wünsche ganz besonders diesen Leuten nur das Beste, einfach weil es nette, bodenständige Menschen sind. Wie immer ist alles was folgt „nur meine Meinung“ und es fehlt mir sicherlich an tieferen Einblicken, warum, welche Entscheidungen wie gefallen sind etc. Stellt sich also die Frage: Darf ich meine Meinung/Kritik aus der Ferne, einfach so Kund tun?
Ich sage eindeutig, ja! Letztlich ist mein Blick auf die Dinge zwar nicht von dem Wissen um Internas geprägt, aber es ist der Blick den die Leute auf die Centurions haben, die den Merch kaufen sollen, die Tickets für die Heimspiele und Bier, Würstchen usw. rund um den Gameday.
Aber wo sehe ich das Dilemma der Centurions?
Grafik von Just Shots @justshotsde
Es beginnt damit, dass sie bisher wenig erfolgreich waren und zwischen zwei der bisher drei Champions der ELF, nämlich Rhein Fire und Galaxy, beheimatet sind. Für talentierte Footballer aus der Region sind Galaxy und besonders Rhein Fire deutlich attraktiver. Bessere Stadien, mehr Zuschauer, größere Playoff Chancen, bessere Strukturen und mehr und namenhaftere Coaches. Selbst wenn die Centurions sich die Dienste eines guten Spielers sichern konnten, kann es schnell gehen, dass diese Spieler wo anders begehrt sind (siehe Kensy, Flamur, Loerks, Poetsch, Geyer, Wiegand, Völker etc.) und dann nach einer Season bei den Centurions zu einem anderen Franchise wechseln. Hier wird schon deutlich, es wird schwer etwas aufzubauen (in dem Fall den Kader), wenn man jedes Jahr Leistungsträger und Identifikationsfiguren verliert.
Es ist also in den ersten drei Jahren nicht gelungen, ein Fundament aufzubauen, dass man Schritt für Schritt weiter entwickeln kann. Stattdessen beginnt man jedes Jahr wieder von vorne und verliert dabei wertvolle Zeit. So haben Galaxy und Rhein Fire, obwohl sie durch die Playoffs später angefangen haben die neue Season zu planen, ihre Headcoaches fest und arbeiten schon fleißig an ihren Kadern für 2024. Aber das bezieht sich nicht nur auf Spieler. Andere Teams (besonders auch Galaxy und Fire) haben gute, geeignete Heimspielstätten gefunden. Mit einem ordentlichen bis guten Stadien, einem guten Programm drum herum, einer gewissen Präsenz in der Stadt und den Medien, sowie zumindest ansatzweise erfolgreichen Sport, ziehst du Zuschauer ins Stadion.
Fassen wir also mal die beiden oberen Absätze zusammen, sind die Centurions aktuell, weder für Spieler noch für Zuschauer sehr attraktiv. Das wiederum macht es auch bei der nächsten wichtigen Gruppe schwierig, den Sponsoren und Investoren. Warum sollte ein Sponsor der sein Geld zu Werbezwecken investiert, dies aktuell bei den Centurions tun? Was TV- und Medienpräsenz, Zuschauerzahlen oder auch Reichweite in den sozialen Medien betrifft, ist dieser doch bei Rhein Fire deutlich besser aufgehoben. Einzig wenn ich als Sponsor es speziell auf den „Kölner Markt“ abgesehen habe, könnte ein es sich lohnen, sich doch für die Centurions zu entscheiden. Aber selbst dafür müssten die Centurions, meiner Meinung nach, deutlich mehr Präsenz in der Stadt aufbauen. Auch wenn es sehr hart klingt, macht man so weiter, werden die Centurions bald von der ELF Landkarte verschwinden.
Was sehe ich also für Wege aus dem Centurions Dilemma?
Foto von Foot Bowl / Justin Derondeau
Man muss den Kreislauf wenig Erfolg, wenig mediale Aufmerksamkeit, wenig Zuschauer, wenig Geld usw. durchbrechen. Wie man das schaffen kann, haben in der abgelaufenen Season die Stuttgart Surge gezeigt. Der Football-Kosmos ist immer noch ein recht kleiner und wie in Stuttgart gesehen, kann ein Coach für den gute Spieler gerne spielen wollen, ein Programm umdrehen. Hier könnten die Centurions ansetzen. Finde einen wirklich guten Coach, der in Football-Deutschland und besonders in Football-NRW gut vernetzt und beliebt ist (und finde den möglichst früh vor der Season, bevor der Spieler Markt schon abgegrast ist). Überzeuge ihn mittel- bis langfristig bei den Centurions etwas aufzubauen. Dann sollte es das Ziel sein, ein Kader-Fundament zu legen, die Rahmenbedingungen zu verbessern und Spieler davon zu überzeugen, dass etwas Gutes in Köln entsteht. Ich glaube, je nach Spielplan, müsste es nicht mal eine extrem erfolgreiche Season werden. Gelingt es ein gutes Fundament zu legen und gute Spieler davon zu überzeugen, weiter zu bleiben, kann es ruhig auch einen 4-8 oder ein 5-7 Record sein. Im zweiten Jahr könnte man dann auf dieses Fundament aufbauen, den Kader verstärken und eine Season anstreben mit 6 oder mehr Siegen. Man wird so vielleicht keine Spieler von Rhein Fire weglocken können, die dort Starter sind oder werden sollten, aber in NRW sollte es genug Talent geben um ein zweites gutes Team aufzubauen. Zudem sollten man daran arbeiten, eine Alternative für gute Spieler zu sein, die bei Rhein Fire vielleicht nicht so viel Spielzeit bekommen.
Daneben muss man aber auch wachsen was die Strukturen betrifft. Spieler müssen möglichst gut betreut sein, so dass sie sich von der Franchise gut unterstützt fühlen und die Franchise als verlässlichen Partner erleben. Diese Unterstützung umfasst Bereich wie Coaching, medizinische Betreuung, Staff und die Verlässlichkeit bei Dingen wie Reisen, Unterbringung, Equipment und Geldern.
Zu guter Letzt brauchst du als Franchise Dinge die dich von anderen abheben, dich besonders machen, mit Blick auf potenzielle Zuschauer ganz besonders regional. Wo sind die Alleinstellungsmerkmale der Centurions? Mir falle da ehrlich gesagt keine ein.
Dabei hat man mit dem Standort Köln dazu eigentlich den idealen Platz. Köln ist die meistbesungene Stadt der Welt (vor New York und Paris), was an dem eigenen Dialekt und der, im Leben der Stadt, tief verwurzelten Kultur des Karnevals liegt. Der Kölner liebt seine Eigenarten und er liebt es, wenn diese zelebriert werden. Als der 1.FC Köln das verstanden hat, wurde das Stadionerlebnis und damit auch die Zuschauer- und Mitgliederzahlen enorm gesteigert. Man sagt dort man sei „Spürbar anders“, im Stadion läuft hauptsächlich kölsche Musik, es gibt die schönste Vereinshymne der Liga (in der kölschen Mundart) und die Tor-Hymne wurde ebenfalls auf Kölsch umgestellt. Der FC ist inzwischen auch ein eingetragener Karnevalsverein und im Rosenmontagszug vertreten.
Ich denke, hier liegt auch eine Chance für die Centurions. Sie könnten sich als kölsches Team präsentieren, das Rahmenprogramm am Spieltag darauf aufbauen und der Name Centurions könnte eine Unterstützung sein, an die Geschichte der Stadt anzuknüpfen. Hier könnte ein Re-Branding nicht schaden, denn mit diesem Namen, in einer Stadt die vor über 2000 Jahren von Römern gegründet wurde, ein Logo sein Eigen zu nennen, dass meines Wissens eher einen Helm aus der griechischen Geschichte abbildet ist da kein guter Start. In der ersten Season wurden Erfolge im Huddle nach dem Spiel auch mal mit „Viva Colonia“ gefeiert, was bei den Fans immer gut angekommen ist. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, dass man leider nicht genutzt hat, war das man auf einen deutschen, in dem Fall sogar kölschen QB gesetzt hat. Für mich war das einer der Gründe warum ich die Centurions ins Herz geschlossen habe und eine Gelegenheit sich von allen anderen Franchises abzuheben. Ich verstehe warum viele HCs oder die Franchises allgemein lieber auf einen amerikanischen QB setzen. Trotzdem sind die Vorteile bei einheimischen QBs nicht weg zu diskutieren. Man hat auf der wichtigsten Position des Sports möglicherweise als einziges Team einen einheimischen Spieler, man kann von daher zwei A-Spots für die anderen Skill-Positions verwenden und man hat den QB schon früher in der Off-Season beim Team. Und ohne das Können der beiden amerikanischen QBs der letzten Season beurteilen zu wollen (und letztlich können), den Output den man mit ihnen erreicht hat, hätte man auch mit einem guten deutschen/europäischen QB erreicht.
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